Forschung

Wiedervernässung von Mooren: Sensorik und unterirdische Funkkommunikation zum Schutz von Klima und Gesundheit

Um die Klimaschutzziele in Deutschland zu erreichen, gilt es nicht nur, die Treibhausgasemissionen in der Energiewirtschaft, in der Industrie oder im Verkehr drastisch zu reduzieren. Als wichtige Kohlenstoffspeicher müssen auch die Moorböden geschützt und trockengelegte Moore wiedervernässt werden. Damit sie dennoch auch weiter landwirtschaftlich genutzt werden können, haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Ilmenau und der Kompass GmbH, Ilmenau, zusammengetan, um eine neuartige drahtlose Sensorik und die Funkkommunikation in der Erde zu erforschen und zu entwickeln. Sie soll es ermöglichen, sowohl die CO2-Emission von Mooren als auch die Nitratbelastung von Grundwasser in landwirtschaftlich genutzten Böden zu überwachen und auf Basis der gemessenen Werte effiziente Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit abzuleiten.

Feuchte Moorlandschaft stock.adobe.com/Countrypixel

Moore gelten als hervorragende Klimaschützer: In ihrem natürlichen Zustand speichern sie mehr Kohlenstoff als alle Wälder der Welt zusammen. Grund dafür ist der hohe Wasseranteil im Boden. Mehr als vier Prozent der Landfläche in Deutschland bestand ursprünglich aus Moorlandschaften. In den vergangenen Jahrhunderten wurde jedoch fast alle sukzessive entwässert, um sie für die Land- und Forstwirtschaft nutzbar zu machen oder zu bebauen.

Das Problem dabei: Werden die Moore trockengelegt, befindet sich der Torf nicht mehr im Wasser. So gelangt Luft an das Pflanzenmaterial, und Mikroorganismen beginnen, die Pflanzenreste im Boden zu zersetzen. Dabei setzen sie erhebliche Mengen des Treibhausgase Kohlendioxid frei. Die Trockemoore allein waren zuletzt für rund 7,5 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Dies entspricht rund 53 Millionen Tonnen CO2, die jährlich in die Atmosphäre freigesetzt werden – oder der Emission des gesamten deutschen Flugverkehrs.

„Die Klimaschutzziele für Deutschland können daher nur erreicht werden, wenn neben den Hauptemittenten wie Gebäudeheizungen, Kraftwerks- und Industrie-Anlagen auch die zahlreichen trockengelegten Moore berücksichtigt werden“, erklärt Professor Jörg Robert, Leiter des Fachgebiets Zuverlässige Maschine-zu-Maschine-Kommunikation an der TU Ilmenau. Die Wiedervernässung von Mooren ist deshalb auch ein erklärtes Ziel der Bundesregierung. Mehr als 70 Prozent von Deutschlands trockengelegten Mooren werden jedoch inzwischen als Acker- oder Weideland genutzt. Jörg Robert:

Unsere Idee ist es daher, gemeinsam eine neuartige Sensorik und Funkkommunikation in der Erde zu entwickeln, die es ermöglicht, den Grundwasserspiegel des Moores nur so weit zu erhöhen, dass der Torfkörper im Wasser und der Kohlenstoff gebunden bleibt, die Oberfläche jedoch weiterhin landwirtschaftlich nutzbar ist

Unterschiedliche Arten von Sensoren sollen dafür von der Kompass GmbH untersucht und sowohl oberirdisch als auch unter der Erde zum Einsatz kommen.

Besonders energieeffiziente und kompakte drahtlose Sensoren

Um zu bestimmen, welcher Wasserpegel optimal für Umwelt und Landwirtschaft ist, wollen die Projektpartner zunächst mit Hilfe neuartiger optischer Sensoren den Kohlendioxid- und Methan-Anteil in der Atmosphäre in unterschiedlichen Höhen über dem Erdboden messen. Diese Messdaten sollen mit der Bodenfeuchte in unterschiedlichen Tiefen verglichen werden. Wie das Regenwasser anschließend in der richtigen Menge in die Moore zurückgeführt wird, hängt von der jeweiligen Fläche ab, so Prof. Robert: „Im einfachsten Fall baut man einfach Schieber in die Entwässerungsgräben und reguliert damit den Wasserstand oder stoppt das Abpumpen der Moorflächen.“

Damit die Sensorik die Landwirte langfristig nicht bei der Bearbeitung ihrer Flächen behindert, die Landfläche also weiterhin mit Maschinen befahrbar ist, erforscht das Projektteam in einem zweiten Schritt drahtlose Sensoren. Sie sollen bis zu 40 Zentimeter tief in den Boden eingebracht werden und dort für viele Jahrzehnte verbleiben können. Olaf Mollenhauer, Geschäftsführer der Kompass GmbH:

Um die Zusammensetzung der Fluide, das heißt der atmosphärischen Gase und der wässrigen Lösungen im Boden zu bestimmen, müssen die Sensoren besonders energieeffizient und äußerst kompakt sein.

Deshalb und damit auf eine aufwändige Verkabelung der Sensoren verzichten werden kann, wird jedes Sensorelement mit einem eigenen sogenannten LPWAN (Low Power Wide Area) Funkmodul nach dem vom Fraunhofer IIS entwickelten mioty® Standard ausgerüstet. Im Gegensatz zu anderen LPWAN-Systemen, wie beispielsweise LoRaWAN, erlaubt mioty®, die Messdaten vieler Sensoren gleichzeitig zu übertragen – und das über viele Kilometer hinweg bei geringster Sendeleistung.

Neuartige Antennenkonzepte

„Eine weitere Herausforderung stellen die besonderen Bedingungen für die Funkübertragung der Messdaten aus dem Erdboden dar“, so Prof. Robert:

Das Netzwerk soll auch im Erdboden vergraben eine zuverlässige Kommunikation erreichen. Denn nur mit Hilfe eines geeigneten Kommunikationssystems können die großen Datenmengen (Big Data) an eine Empfangsstation übertragen und in einer Cloud ausgewertet werden.

Daher testen die Wissenschaftler der TU Ilmenau unter anderem geeignete Frequenzbereiche und entwickeln neuartige Antennenkonzepte.

Gleichzeitig möchte das Forschungsteam ein weiteres drängendes Problem für Umwelt und Gesundheit angehen: Der Einsatz von Stickstoffdünger auf den landwirtschaftlich genutzten Moorflächen belastet das Grundwasser mit Nitrat, was es schwieriger macht, sauberes Trinkwasser zu gewinnen. Jörg Robert:

Indem wir mit Hilfe der neuen Technologien den Nitratgehalt im Boden präzise messen können, wollen wir es den Landwirten zugleich ermöglichen, den Einsatz von Düngemitteln ohne Ertragseinbußen zu minimieren und so den Nitratgehalt im Grundwasser zu reduzieren.

Das Projekt COMSENS+ (Communication Sensors for Sustainable Environments) ist im Rahmen des Leistungszentrums InSignA –  Intelligente Signalanalyse- und Assistenzsysteme entstanden. Es setzt sich aus sieben Fachgebieten der Technischen Universität Ilmenau, fünf Thüringer Fraunhofer-Einrichtungen und der IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme gemeinnützige GmbH (IMMS GmbH), einem An-Institut der TU Ilmenau, zusammen. Gemeinsam mit Unternehmen will das Leistungszentrum Lösungsansätze in der Sensorik und Signalanalyse in die Anwendung bringen.

Der Freistaat Thüringen fördert das Projekt COMSENS+ aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für drei Jahre.

Moorschutz als Klimaschutz: Was kann ich tun?

Auch jede und jeder Einzelne kann im Alltag durch den Kauf von torffreier Garten- und Blumenerde dazu beitragen, Moore als wertvolle Klimaschützer zu erhalten.

Torf wird durch die Trockenlegung und den Abbau von Mooren gewonnen. Torf macht bis zu 90 Prozent handelsübliche Garten- und Blumenerde aus. Selbst Bio-Blumenerde oder sogenannte "torfreduzierte" Erde kann noch große Mengen Torf enthalten.

Umweltfreundlicher ist Blumenerde aus Kompost oder Holz- bzw. Kokosfasern als Torfersatz.

Kontakt

Prof. Jörg Robert

Fachgebietsleiter Zuverlässige Maschine-zu-Maschine-Kommunikation