Forschung

Zukunft der Elektromobilitiät: MIGRO-Projekt ebnet den Weg für nachhaltige Mobilität

Die Anzahl von Elektrofahrzeugen (EVs) nimmt weltweit zu. Ihr Einsatz kann eine wichtige Rolle bei der Erreichung von Null-Emissionszielen spielen. Der CO2-Ausstoß im Verkehr kann jedoch nur dann auf ein Minimum reduziert werden, wenn die Energie für die Autos vollständig aus erneuerbaren Quellen stammt. Das Forschungsprojekt MIGRO (Microgrid-Forschungs- und Experimentierplattform für zukünftige Netze) unter der Leitung von Dr. Steffen Schlegel nimmt sich dieser Herausforderung an und ebnet Angehörigen der TU Ilmenau den Weg für nachhaltige Individualmobilität. Handan Sahin, Masterstudentin der Media and Communication Science an der Universität, hat im Rahmen eines Seminars zur Nachhaltigkeitskommunikation mit dem Wissenschaftler gesprochen: „Das MIGRO-Projekt zeigt exemplarisch das Engagement der TU Ilmenau für Nachhaltigkeit und Innovation. Indem es reale Probleme angeht und eine Kultur der Forschung und Entwicklung fördert, ebnet die Universität den Weg für eine nachhaltigere Zukunft.“

Elektroautos laden an Ladestation Handan Sahin
Im Rahmen des MIGRO-Projekts bietet die TU Ilmenau Universitätsmitgliedern auf dem Campus langsame EV-Ladestationen, die mit sauberer Energie aus Photovoltaik (PV)-Paneelen betrieben werden.

Mit der steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen gibt es immer mehr öffentliche Parkplätze zum Laden von Elektrofahrzeugen. Im Rahmen des MIGRO-Projekts bietet auch die TU Ilmenau Universitätsmitgliedern oberhalb des zentralen Hörsaalgebäudes langsame EV-Ladestationen, die mit sauberer Energie aus Photovoltaik (PV)-Paneelen betrieben werden und in direkter Nachbarschaft zu den Parkplätzen montiert sind. Das Projekt zielt darauf ab, die Effizienz des Ladevorgangs zu steigern und die Akzeptanz der bereitgestellten langsamen Ladestationen in diesem spezifischen Anwendungsfall zu bewerten. Fünfzehn Studierende und Mitarbeitende können jedes Semester mit ihren privaten Elektrofahrzeugen am Projekt teilnehmen – und so ihren CO2-Fußabdruck, der laut Umweltbundesamt durschschnittlich 10,3 Tonnen pro Jahr beträgt,um rund 25% reduzieren. Damit möglichst viele Universitätsmitglieder eine Chance zur Teilnahme haben, können sich jedes Semester neue Personen bewerben.

„Wir haben dieses Projekt gestartet, indem wir bereits bestehende Solarpaneele und -generatoren genutzt haben“, erklärt Projektleiter Dr. Steffen Schlegel, Oberingenieur am Fachgebiet Elektrische Energieversorgung, einem von drei beteiligten Fachgebieten am Thüringer Energieforschungsinstitut (ThEFI) der TU Ilmenau:

So haben wir mit diesem Projekt bewiesen, dass mit geringem Aufwand und wenig Geld saubere Energie für alle bereitgestellt werden kann. Wir haben jetzt acht Ladestationen, die langsames Laden von bis zu 3,7 Kilowatt ermöglichen. Bis zum Ende des sechsjährigen Projekts planen wir, das System zu optimieren, um die Effizienz und Leistung zu steigern.

Saubere Energie zu angemessenen Kosten

Das System verzichtet auf ein großdimensioniertes Speichersystem und nutzt ausschließlich Sonnenlicht als Energiequelle, ohne auf Backup-Optionen aus öffentlichen Stromnetzen zurückzugreifen. Daher ist das Laden stark von günstigen Wetterbedingungen abhängig. Das bedeutet, dass die Nutzenden nach mehreren Schlechtwettertagen möglicherweise ihre Autos nicht vollständig oder gar nicht laden können. Dr. Schlegel: „Das ist nicht ideal. Dennoch sind Solarpaneele günstiger als Speicher- und Netzzugang und eine effektive Methode, um saubere Energie für den Antrieb zu angemessenen Kosten bereitzustellen. Darüber hinaus können die Teilnehmenden mit der von uns hinzugefügten Webschnittstelle den Echtzeitstatus der Ladestationen, das heißt den Leistungspegel, verfügbare und genutzte Einheiten und den Ladezustand des Autos, über die Website und die mobile App überwachen.“

Vor Beginn des Projekts hatten Forschende am Fachgebiet Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation eine Umfrage durchgeführt, um zu verstehen, wie lange die Universitätsmitglieder mit dem Auto pendeln. Dabei stellte sich heraus, dass Mitarbeitende und Studierende im Durchschnitt 65 Kilometer unterwegs sind, um zur Universität zu gelangen. Unter Berücksichtigung der Kapazität der Ladestationen berechnete das Forschungsteam, dass man mit acht Stunden langsamem Laden an den meisten Tagen im Jahr problemlos zur Universität hin- und zurückfahren kann.

Das Potenzial von autarken erneuerbaren Energiesystemen erhöhen

Als internes Forschungsprojekt, das durch Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt wird und im letzten Quartal 2022 gestartet wurde, ist MIGRO auf insgesamt sechs Jahre angelegt. Aufgrund der Interdisziplinarität und der hohen Relevanz des Themas wird der Aufbau auch im Projekt SOFIE als Testumgebung genutzt, um unter Leitung von Prof. Albrecht Gensior vom Fachgebiet Leistungselektronik und Steuerungen in der Elektroenergietechnik softwarespezifizierte autonome Energiesysteme zu untersuchen. Das System verwendet ausschließlich Photovoltaik (PV)-Energie für die Ladestationen von Elektrofahrzeugen, was das Potenzial für autarke erneuerbare Energiesysteme zur Versorgung von EVs aufzeigt. Mit dem Projekt soll das verwendete System verbessert werden, um den bestehenden Energieverlust bei der Umwandlung von Gleichstrom (DC) zu Wechselstrom (AC), der derzeit etwa 20 Prozent beträgt, zu reduzieren. Dr. Steffen Schlegel:

Wir streben an, die Kapazität des Systems nach unseren Leistungstests um 150 Prozent zu erhöhen, indem wir weitere Paneele zum System hinzufügen. Dies wird es uns ermöglichen, mehr Energie zu erzeugen, ohne zusätzliche technische Ausrüstung zu benötigen, und die Gesamtkosten des Systems zu senken. Außerdem planen wir, die Effizienz des Systems bis zum Ende des Projekts auf bis zu 90 Prozent zu steigern. Dies allein unterstreicht das Potenzial des Systems, über nachhaltige und autarke Ladestationen erschwingliche, saubere Energie auch für breitere Anwendungen wie abgelegene Gebiete, Haushalte oder öffentliche Parkplätze bereitzustellen.

Freiwillige willkommen

Das Projektteam umfasst aktuell fünf Personen, darunter ein Postdoktorand, eine Austauschstudentin aus Frankreich, ein Techniker und ein Betriebsleiter. Darüber hinaus liefern die teilnehmenden Studierenden und Mitarbeitenden der TU Ilmenau reale Daten und Erfahrungen aus Sicht der Endnutzenden, die das Projekt vorantreiben. Auch weitere Ingenieurstudierende sind willkommen, als Freiwillige im Projekt mitzuwirken und zu lernen.

Teilnehmende sind mit dem Projekt zufrieden

Dr. Dorothee Arlt vom Fachgebiet Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation befragt die Teilnehmenden am Ende jedes Semesters, um die Erfahrungen der Nutzenden mit dem System zu bewerten. Bisher, so Arlt, zeigen die Ergebnisse, dass die Teilnehmenden mit dem Projekt zufrieden sind. Für das Forschungsteam ist dieses Feedback wichtig, um die Technologie zu verfeinern und die Bedingungen zu verstehen, unter denen die Ladegeräte am besten funktionieren. Im Laufe des Projekts sollen die Befragungsergebnisse auch Auskunft über die Neigungen der Benutzenden gegenüber langsam ladenden Einheiten aufzeigen.

 

Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung

Das MIGRO-Projekt ebnet den Weg für einen wirtschaftlichen Ansatz für erneuerbare und grüne Energie für Elektroautos und trägt zur Reduzierung der CO2-Werte auf dem Campus bei. Durch dieses Projekt werden Universitätsangehörige mit einer alternativen Lösung für nachhaltigen Transport vertraut gemacht und das entwickelte System hat das Potenzial für eine globale Umsetzung. Mit diesen Aspekten trägt es zur Erreichung von SDG 7 bei: Erschwingliche und saubere Energie. Als eines der 17 Ziele, die die Vereinten Nationen bis 2030 erreichen wollen, um die Verbindung zwischen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung hervorzuheben, zielt SDG 7 darauf ab, den Zugang zu erschwinglicher, zuverlässiger und nachhaltiger Energie für alle zu gewährleisten. 

Dr. Steffen Schlegel

Oberingenieur am Fachgebiet Elektrische Energieversorgung