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Biodiversität: Neuer Ansatz für das Auffinden und die Abgrenzung von Arten mit KI

Wie kann künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen, die Biodiversität, das heißt die Vielfalt des Lebens auf unserer Erde, schneller als bisher mit Methoden der Taxonomie zu entschlüsseln, zu beschreiben und zu benennen, bevor sie ausgestorben sind? Mit dieser Frage hat sich ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Institut für Biogeochemie und der Technischen Universität Ilmenau beschäftigt und die Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift Trends in Ecology and Evolution veröffentlicht.

Arnika-Wiese im Taubachtal bei Stützerbach Dr. Kevin Karbstein

Was ist eine Art? Wie wurden Arten in der Vergangenheit definiert und wie werden sie in Zukunft beschrieben? Wie viele Arten gibt es auf der Erde? Wie viele sind noch unentdeckt? Können wir sie schneller beschreiben, als sie durch Klimaveränderungen oder menschliche Einflüsse aussterben?

Von griechischen Philosophen wie Aristoteles über Charles Darwin und Lamarck bis heute haben sich Wissenschaftler mit diesen grundlegenden Fragen beschäftigt. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sind sie jedoch bis heute weitgehend ungelöst geblieben.

Die moderne Genomik lehrt uns heute, dass das, was wir als Arten bezeichnen, aufgrund rein morphologischer, regionaler Artbeschreibungen aus der Vergangenheit unbegründete Einheiten sein können. Dies gilt insbesondere für Tier-, Pflanzen- und Pilzgruppen, die durch komplexe evolutionäre Prozesse wie Hybridisierung oder Asexualität gekennzeichnet sind. Hier werden die Herausforderungen der sogenannten integrativen Taxonomie, die Methoden der klassischen Taxonomie multidisziplinär, beispielsweise mit molekularbiologischen Methoden, dem äußeren Erscheinungsbild oder ökologischen Untersuchungen kombiniert, deutlich: mehr als 30 Artkonzepte, Mangel an universellen Merkmalen bzw. Markern, Fehlen geeigneter Analysewerkzeuge für große Datensätze und komplexe Evolutionsprozesse sowie stark autorenabhängige Datenintegration.

Um dies zu beheben, hat ein interdisziplinäres und internationales Forschungsteam aus Biolog*innen und Informatiker*innen aus Deutschland, Spanien, China und den USA unter der Leitung von Dr. Kevin Karbstein, Lara Kösters, Dr. Ladislav Hodač, Martin Hofmann, Dr. Jana Wäldchen und Prof. Dr. Patrick Mäder vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie und der Technischen Universität Ilmenau diese Fragen aufgegriffen und einen innovativen Übersichtsartikel verfasst, der jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Trends in Ecology and Evolution (TREE; Open Access Link: https://www.cell.com/trends/ecology-evolution/fulltext/S0169-5347(23)00296-3) erschienen ist.

Die Autorinnen und Autoren präsentieren hier die Vision einer modernen integrativen Taxonomie auf der Grundlage eines einheitlichen Artbegriffs in Kombination mit künstlicher Intelligenz (Deep Learning), die die Entdeckung genetischer Einheiten mit der Fusion automatisch extrahierter Informationen wie Morphologie, Physiologie, Ökologie oder Verhalten verbindet, um Arten als natürliche Einheiten zu entdecken. Dieser Prozess wird als Species Delimitation bezeichnet. Auf diese Weise kann künstliche Intelligenz dazu beitragen, die Entschlüsselung der biologischen Vielfalt in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zu beschleunigen.

Kontakt

Prof. Patrick Mäder

Fachgebietsleiter Data-intensive Systems and Visualization Group (dAI.SY)