Studium

Intensiv, praxisnah und voller Spannung: Master-Studiengang Elektrische Energiesysteme

Elektrische Energie ist der wichtigste Energieträger von morgen. Die Umstellung der elektrischen Energieversorgung auf überwiegend erneuerbare Energiequellen und neue Technologien im Zuge der Energiewende bringt jedoch zahlreiche Herausforderungen mit sich, denen sich verschiedenen Fachgebiete der TU Ilmenau gemeinsam mit Industriepartnern widmen: Wie lässt sich die elektrische Energie effizient, sicher, umweltschonend und wirtschaftlich umwandeln, transportieren und speichern? Wie können Mensch und Umwelt dabei bestmöglich geschont werden? Und wie lässt sich die Energie effizient nutzen, um uns angesichts knapper Ressourcen optimal mit Strom zu versorgen? Mit genau diesen Fragen beschäftigt sich der Master-Studiengang Elektrische Energiesysteme an der TU Ilmenau. Wir haben mit Student Jannes Grünberg, Fachgebietsleiter und Studienfachberater Prof. Dirk Westermann und Nadja Belz vom Fachgebiet Elektrische Energieversorgung über die Besonderheiten des Studiengangs und die Berufsperspektiven für Absolventinnen und Absolventen gesprochen.

Drei Personen vor großen Computerbildschirmen TU Ilmenau/Barbara Aichroth
Im Echtzeitlabor am Fachgebiet Elektrische Energieversorgung bildet Student Jannes Grünberg (Mitte) gemeinsam mit Nadja Belz und Prof. Dirk Westermann hochkomplexe Energiesysteme ab.

Prof. Westermann, am Thüringer Energieforschungsinstitut (ThEFI) entwickeln und optimieren rund 100 Forschende der TU Ilmenau Technologien und Konzepte für die Energiewende. Dabei erforschen sie aus unterschiedlichsten Perspektiven Energiesysteme aller Größenordnungen – vom Schalter bis zum Übertragungsnetz und von der Niederspannung bis zur Hochspannung. Neben Bachelorstudiengängen in der Elektrotechnik oder Physik beschäftigen sich auch zwei Master-Studiengänge speziell mit Energietechnik, darunter der Studiengang Elektrische Energiesysteme. Welche Themen stehen dabei im Mittelpunkt?

Dirk Westermann: Im Gegensatz zum grundlagenorientierten und physikgetriebenen Masterstudiengang Regenerative Energietechnik, der sich auf die Herstellung regenerativer Energietechnik konzentriert, beschäftigt sich unser Studiengang speziell mit elektrischen Energiesystemen. Dabei betrachten wir das ganze Energiesystem, das heißt den gesamten Prozess von der Umwandlung der Elektroenergie bis zur Abnahme – und das aus unterschiedlichen ingenieurwissenschaftlichen Perspektiven.

Was genau können die Studierenden dabei lernen und erforschen?

Dirk Westermann: Das ist ein bunter Reigen von Dingen: das Infrastruktursystem und das Netz mit der dazugehörigen Automatisierungstechnik, aber auch die Software und die Komponenten, die man braucht, um ein solches Netz aufzubauen. Die Studierenden lernen dabei nicht nur den aktuellsten technologischen Stand in der Energie- und Automatisierungstechnik kennen, sondern zum Beispiel auch neueste Automatisierungsmethoden und Optimierungsverfahren. Das heißt sie erarbeiten Antworten auf die Fragen: Wie kann ich Betriebsabläufe darstellen? Wie kann ich Automatisierungslösungen entwerfen? Und wie kann ich das in der Praxis auch IT-mäßig umsetzen? Das heißt: Die Informationstechnologie spielt eine große Rolle, und wir haben immer das ganze System im Blick.

Herr Grünberg, was hat Sie motiviert, sich für den Studiengang Elektrische Energiesysteme zu bewerben?

Jannes Grünberg: Da, wo ich aufgewachsen bin, in Schleswig-Holstein, ist man quasi von Windanlagen umzingelt. Allein um unser Dorf herum stehen rund 70 bis 80 Windenergieanlagen. Das hat mich schon immer fasziniert. So ist bei mir der Gedanke entstanden: Ich möchte Energietechnik studieren und etwas mit Windenergie zu tun haben. Zuerst habe ich deshalb ein Bachelor-Studium in diesem Bereich in Flensburg angefangen.

Was genau hat sie anschließend dazu bewogen, für ein Master-Studium von Flensburg nach Ilmenau zu ziehen?

Jannes Grünberg: Im Bachelor habe ich mich vor allem mit den Komponenten, die für regenerative Energietechnik notwendig sind, beschäftigt. Danach habe ich zwei Jahre lang als Ingenieur im Bereich Erneuerbare Energien gearbeitet und mich um die Zertifizierung von Anlagen gekümmert: Denn alle Anlagen, die ans Netz gehen, müssen vorher einmal getestet worden sein, damit sie die Anforderungen erfüllen. Zwar hatte ich schon immer den Plan, mein Studium fortzusetzen, aber durch die Praxis hat sich meine Sichtweise geändert und ich wollte nach meinem sehr spezialisierten Bachelorstudium auch den Blick auf das große Ganze bekommen. Als ich deshalb 2021 geschaut habe, wo man Energietechnik im Master studieren kann, hat mich der vielseitige Modulplan der TU Ilmenau überzeugt.

Welche weiteren Kriterien waren für Sie ausschlaggebend?

Jannes Grünberg: Das Schöne hier war für mich die Wahlfreiheit: Ich kann mich auf meine Schwerpunkte spezialisieren und muss nicht erst die Grundlagen der Elektrotechnik wiederholen. Auch dass Ilmenau eine kleine Uni mit direkter Nähe zu den Lehrenden ist, hat mich überzeugt. Ich wollte kein Studium, wo man nur einer von Hunderten ist, sondern eines, bei dem man wirklich den Diskurs mit den Lehrenden führt und tiefere Einblicke in die Forschung bekommt.

Dirk Westermann: Damit entspricht Herr Grünberg genau der Zielgruppe, die wir mit dem Studiengang ansprechen. Schon zur Einführung des Studiengangs vor zehn Jahren konnten wir absehen, dass wir mit den Elektrotechnik-Studierenden alleine den Fachkräfte-Bedarf in diesem Bereich nicht abdecken können. Deshalb haben wir den Studiengang sehr breit aufgestellt, mit maximaler Wahlfreiheit und viel Learning-by-Doing – und dabei gezielt Energiethemen adressiert.

Wie genau sieht dieses Learning-by-Doing aus?

Dirk Westermann: Vom ersten Tag an integrieren wir unsere Studierenden in Forschungsprojekte, bieten ihnen Hiwi-Verträge an und machen sie so in zwei Jahren fit für den Berufseinstieg oder auch eine Promotion. So vermitteln wir schon im Studium auch die Methoden und das Feeling, das man braucht, um als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin arbeiten zu können. Dabei richten wir uns, was die Vorerfahrung angeht, explizit an alle Hochschulformen.

Nadja Belz: Genau das macht auch uns Mitarbeitenden so viel Spaß: Sowohl wir können den Studierenden etwas beibringen, als auch lernen wir selbst etwas durch die intensive Betreuung. Wir machen eine individuelle Kommunikation möglich und versuchen für unsere Studierenden immer erreichbar zu sein. Manche benötigen sehr klare Zielvorgaben. Andere können sehr eigenständig arbeiten. Dabei richten wir uns ganz nach den Bedürfnissen der Studierenden.

Jannes Grünberg: Das Gute ist tatsächlich, dass man durch die Lehrveranstaltungen nicht nur zu Prof. Westermann, sondern auch zu den wissenschaftlichen Mitarbeitenden einen Draht hat. So hat man von Beginn an Ansprechpersonen, die man direkt in der Vorlesung fragen, bei denen man im Büro vorbeigehen oder denen man eine E-Mail schreiben kann. Von der Betreuung her ist das wirklich optimal.

Nadja Belz: Wir versuchen außerdem, die Studierenden mit in den Fachgebietsalltag einzubinden. Sei es, dass man gemeinsam in die Mensa geht oder die Hiwis auch zu sozialen Events am Fachgebiet wie Wandertagen oder Weihnachtsfeiern einlädt, damit auch ein Teamgefühl aufkommt.

Der Studiengang zeichnet sich auch durch besonders innovative Lehr- und Lernformen aus. Was genau sind das für Formate?

Dirk Westermann: Das sind zum Teil ganz einfache Dinge: Beispielsweise machen wir in der Grundlagenvorlesung im fünften Semester nicht 15 Stunden Frontalunterricht. Stattdessen müssen die Studierenden eine Forschungsfrage beantworten und eine Präsentation halten. So lernen sie, wie sie einen Sachverhalt sinnvoll darstellen können. In einer anderen Lehrveranstaltung erklären wir ihnen, wie Universität funktioniert und was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tun. Im Rahmen eines Hackathons lernen sie außerdem, wie sie schnell strukturiert Innovationen generieren und verwerten können. Anschließend müssen sie dann einen Projektantrag und Projektplan für einen Fördermittelgeber schreiben – alles Dinge, die ein Master of Science können sollte. Auch das Design Thinking, das wir lehren, gehört zum Standard Skills Set eines Masterabsolventen einer sehr guten Universität dazu. Insgesamt versuchen wir, den Frontalunterricht zugunsten praktischer Dinge wie Software-Projekte auf ein Minimum zu reduzieren.

Nadja Belz: In der Grundlagenveranstaltung können die Studierenden zum Beispiel auch Bonuspunkte bekommen, wenn sie eine wissenschaftliche Fragestellung beantworten. Letztes Semester ging es dabei um die Einbeziehung von Chat GPT zur Beantwortung von Forschungsfragen. Solche und ähnliche hochaktuelle Fragestellungen werden immer auch in unseren Veranstaltungen adressiert. Denn sie sind die Zukunft, und mit ihnen müssen sich die Studierenden auseinandersetzen.

Herr Grünberg, mit welchen Themen beschäftigen Sie sich aktuell im Studium?

Jannes Grünberg: Zurzeit schreibe ich an meiner Masterarbeit im Projekt SPANNeND, bei dem wir uns im Kontext der Energiewende mit der Frage beschäftigen, wie man die Netze weiter optimieren und besser auslasten kann, um mehr Leistung übertragen zu können und weniger Anlagen abschalten zu müssen. Dabei kann ich das Wissen, das ich während meiner Hiwi-Zeit gesammelt habe, einbringen und muss nicht bei null anfangen.

Dirk Westermann: Das ist genau der Vorteil für unsere Studierenden: Sie können von Beginn des Studiums an in Projekten mitarbeiten – von einer Hiwi-Tätigkeit über eine Seminar- oder Innovationsarbeit bis hin zur Masterarbeit, an die sich dann oft sogar noch eine Promotionsphase thematisch anschließt. So sind sie voll in der Thematik drin und können schon im Studium aktiv die Energiewende und die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft mitgestalten.

Engagieren Sie sich auch neben Ihrem Studium aktiv für dieses Thema?

Jannes Grünberg: Ja, neben meinem Hiwi-Job bin ich mit reduzierter Stundenzahl auch weiter als Projektingenieur bei meinem alten Arbeitgeber tätig und habe tatsächlich auch schon vor Ende meines Studiums einen neuen Job bei einem Netzbetreiber in Brandenburg gefunden.

Zusammen mit Studierenden anderer Fachrichtungen wie Elektrotechnik, Biomedizintechnik oder Informatik engagiere ich mich aber auch in der VDE-Hochschulgruppe Ilmenau des Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik e.V.. Gemeinsam organisieren wir ehrenamtlich Fachvorträge, planen Exkursionen zu Unternehmen oder fahren zu Messen. Das ist sehr abwechslungsreich. Ein so aktives Vereinsleben wie in Ilmenau kannte ich vorher nicht: Man kommt in Ilmenau an und sieht schon am ersten Tag: Alle machen etwas und sind sozial organisiert und engagiert. Man kann sich einfach einen Verein suchen zu einem Thema, das einem Spaß macht, und das Campusleben mit weiterentwickeln. Das ist etwas, das die TU Ilmenau auszeichnet und ziemlich einzigartig ist.

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Prof. Dirk Westermann

Studienfachberater und Fachgebietsleiter Elektrische Energieversorgung