Wissenschaftskommunikation Energiewende

Seit April 2021 ist unsere Forschungsgruppe Teil des Verbundprojekts "Wissenschaftskommunikation Energiewende", das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Kernstück des Projekts ist die Ausstellung  „Power2Change: Mission Energiewende, die Lösungen für eine klimaneutrale, sichere und bezahlbare Energieversorgung mit Fokus auf die Sektoren Industrie, Gewerbe und Verkehr präsentiert. Die wissenschaftlichen Inhalte für diese Lösungen stammen aus den Kopernikus-Projekten, dem Verbundprojekt Carbon2Chem®, dem Fraunhofer-Cluster CINES und von weiteren Partnern.

Das Projekt wird von der DECHEMA e. V. und Fraunhofer UMSICHT koordiniert. Die Ausstellung wurde vom LWL-Industriemuseum, Westfälischen Landesmuseum für Industriekultur und dem Klimahaus® Bremerhaven konzipiert. Wissenschaft im Dialog ist verantwortlich für das Begleitprogramm, die Wanderausstellung und die Projektkommunikation.

Das Ausstellungsprojekt wird durch kommunikationswissenschaftliche Forschung begleitet. Unser Team arbeitet an insgesamt vier Teilprojekten.

  1. Analyse der Medienberichterstattung über die Energiewende, um mehr über den Umfang und die Themen (z.B. Wasserstoff oder Energienetze) der öffentlichen Debatte zu erfahren und wie sich diese im Laufe der Zeit verändert.
  2. Die Sicht der Bevölkerung auf die Energiewende wird durch regionale und nationale Umfragen untersucht. Dabei wird analysiert, was die Menschen in verschiedenen Regionen und zu verschiedenen Zeiten über die Energiewende, die mit ihr verbundenen Maßnahmen und Veränderungen, und insbesondere die Themen der Ausstellung (z.B. Wasserstoff) denken. Außerdem untersuchen wir, wie die Menschen die Medienberichterstattung zur Energiewende wahrnehmen und bewerten.
  3. Das Teilprojekt Energiewende vor Ort befasst sich mit den regionalen Unterschieden im Engagement zur Umsetzung der Energiewende. Es wird untersucht, welche Initiativen, Unternehmen, Wissenschaftler, Behörden, Verwaltungen etc. vor Ort aktiv sind und wie sich dieses Netzwerk aus Akteuren auf den Erfolg der Energiewende auswirkt.
  4. Evaluation der Ausstellungen durch Vor-Ort- und Vorher-Nachher-Befragungen der Besucher. Dies liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie die Ausstellung ankommt und wo es Verbesserungspotenzial gibt. Dieses Feedback wird für die Weiterentwicklung der Ausstellung genutzt.
Ausstellung „Power2Change: Mission Energiewende“

Ausstellung „Power2Change: Mission Energiewende“


VERNEDCT: Ressourceneffizientes Energieverteilernetz durch DC-Technologie

Die Verteilung elektrischer Energie ist eine Herausforderung der Energiewende. Um eine höhere Auslastung der Netzinfrastruktur zu erzielen, wird im Projekt VERNEDCT eine Umstellung auf Gleichstrom (DC) erforscht. Der Einsatz von Gleichstrom in Verteilnetzen ermöglicht eine wesentlich höhere Auslastung der Netzinfrastruktur und verringert damit den Ressourceneinsatz für den Netzausbau. Das heißt: Bei gleichem Materialaufwand kann deutlich mehr Energie im Vergleich zur heutigen AC-Technologie verteilt werden. Das Projekt wird die technologische Basis für ein neuartiges, vollständig Umrichter-gespeistes Verteilnetz auf Basis von DC-Technologie für den urbanen Raum entwickeln, welches die Aufgaben der heutigen Netzebenen 5-7 (Mittel- und Niederspannung) übernehmen kann.

Bei der Umstellung von Verteilnetzen auf DC-Technologie handelt es sich um eine umfassende sozio-technische Transformation, die nicht nur technologisch machbar, sondern auch von den verschiedenen, in die Transformation involvierten Akteursgruppen akzeptiert und unterstützt werden muss. Entsprechend ist die kommunikative Einbeziehung betroffener Akteursgruppen (Netzbetreiber, Gerätehersteller, Handwerker, Bevölkerung etc.) ein wichtiger Bestandteil des Projekts, der durch das EMPK begleitet und erforscht wird. 


Regionale Akzeptanz von Netzausbau- und Erneuerbare-Energien-Projekten

Die Energiewende ist in Deutschland der zentrale Schlüssel zur Begrenzung des Klimawandels. Allerdings stößt der grundlegende Umbau des Energiesystems in der Öffentlichkeit oft auf Widerstand. Daher stellt sich die Frage, wie die Kommunikation über die Energiewende verbessert werden kann.

Im Rahmen der "GLAS-LINK"-Studie haben wir eine systematische Literaturrecherche (n = 36 Publikationen) durchgeführt, um die Faktoren zusammenzufassen, welche die regionale Akzeptanz von Netzausbau- und Erneuerbare-Energien-Projekten beeinflussen. Die Ergebnisse liefern mehrere Anknüpfungspunkte, um die Energiewende in der Öffentlichkeit erfolgreicher zu kommunizieren.


Die Energiewende in den Medien und den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger

Die Energiewende in den Medien und den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger

Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts RESIDENS (gefördert durch das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur von 2009 bis 2012) hat die Forschungsgruppe die gesellschaftlichen Bedingungen für den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien untersucht. In mehreren Inhaltsanalysen wurde untersucht, wie die Medien die Energiewende und Smart Metering darstellen. Darüber hinaus wurde in einer dreiwelligen repräsentativen Panelbefragung untersucht, über welche Medien sich die Thüringerinnen und Thüringer über Energiethemen informieren und wie sich diese Mediennutzung auf energiebezogene(s) Wissen, Einstellungen und Handeln auswirkt.

Außerdem wurde ein internationaler Vergleich zwischen 11 Ländern hinsichtlich der Medienberichterstattung über erneuerbare Energien durchgeführt. Die Studie analysierte strukturelle Bedingungen als Ursachen für Unterschiede in der Berichterstattung.


Kommunikationsstrategien von Bürgerinitiativen im Kontext Netzausbau

Der Ausbau des deutschen Hochspannungsnetzes hat in den letzten Jahren in vielen betroffenen Regionen zu Protesten geführt. In den meisten Fällen sind Bürgerinitiativen die Hauptträger dieser Proteste. Wie diese Initiativen den Protest organisieren, welches Selbstverständnis sie haben und welche Faktoren ihre Protestaktivitäten beeinflussen, wurde in dem DFG-geförderten Projekt "Kommunikationsstrategien lokaler Umweltinitiativen" von Marco Bräuer untersucht.

Da die Kommunikationsaktivitäten von Bürgerinitiativen bisher kaum Gegenstand empirischer Forschung waren, wurden insgesamt acht Fallstudien mit Bürgerinitiativen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Bürgerinitiativen den politischen und medialen Diskurs sowie die Reaktionen der Bevölkerung aufmerksam beobachten. Darauf aufbauend entwickeln sie aktiv Problemdeutungen und Lösungsvorschläge, die sie in verschiedenen Arenen an die Öffentlichkeit kommunizieren.

Durch die Analyse der Motivation der Protestierenden, ihrer Sicht auf den Konflikt und auf die anderen Konfliktakteure sowie durch eine detaillierte Analyse der Kommunikationsaktivitäten der Bürgerinitiativen sollen die Ergebnisse der Studie zur Verbesserung von Kommunikation und Partizipation im Kontext des Netzwerkausbaus beitragen.

Die Dissertation (Bräuer 2017) ist in der Open-Access-Buchreihe NEU-Kommunikation erschienen.


Fukushima und seine Folgen

In diesem Bereich wurden insgesamt drei Untersuchungen durchgeführt, die sich mit den unterschiedlichen sozialen Auswirkungen der Kraftwerkskatastrophe von Fukushima 2011 befassten. Es wurde untersucht, wie über die Ereignisse in Japan in verschiedenen Ländern berichtet wurde. Darüber hinaus wurde analysiert, wie sich die Katastrophe auf die Berichterstattung über erneuerbare Energien auswirkte und welchen Einfluss die Berichterstattung auf die Einstellung der Bürgerinnen und Bürger zur Kernenergie hatte. Die Ergebnisse dieser Projekte sind im zweiten Band der Buchreihe NEU-Kommunikation zusammen mit 10 weiteren Artikeln von Forschern anderer Universitäten und Forschungsgruppen zum Thema veröffentlicht worden. Vertiefende Analysen von zwei Projekten wurden auch als Zeitschriftenartikel veröffentlicht.

In einer international vergleichenden Studie wurde die Emotionalität der Berichterstattung in den ersten 14 Tagen nach der Katastrophe mit Hilfe von computergestützten, textlinguistischen Methoden analysiert. Verglichen wurden Printmedien aus Großbritannien, den USA und Deutschland. Es zeigte sich, dass in den beiden englischsprachigen Ländern die Emotionen Furcht, Angst und Traurigkeit eine größere Rolle spielten, während in Deutschland Ärger und Wut deutlich stärker ausgeprägt waren (Zeller, Arlt & Wolling 2014).

In einer zweiten international vergleichenden Studie wurde die Berichterstattung über erneuerbare Energien in elf Ländern aus verschiedenen Teilen der Welt untersucht. Im Mittelpunkt der Studie stand die Frage, ob die Ereignisse in Fukushima das Framing dieser Energieerzeugungsformen verändert haben und ob die Berichterstattung und ihre Veränderung durch kontextuelle Faktoren in den untersuchten Ländern erklärt werden können. Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass die Berichterstattung der nationalen Medien von den Bedingungen des etablierten Energieversorgungssystems beeinflusst wird. Auch die Reaktorkatastrophe von Fukushima hat diese etablierten Denkmuster nicht in Frage gestellt (Bräuer & Wolling 2014; Rochyadi-Reetz, Arlt, Wolling & Bräuer 2019)

In einer dritten Studie wurde eine Panelbefragung genutzt, um Einstellungseffekte der Fukushima-Berichterstattung auf der persönlichen Ebene zu identifizieren. Es wurden schwache, aber signifikante Einstellungsänderungen von 2010 bis 2011 festgestellt. Das Risiko der Kernenergie wurde 2011 höher eingeschätzt und die erneuerbaren Energien wurden positiver bewertet. Die Stärke der Einstellungsänderungen war weitgehend unabhängig von persönlichen Merkmalen oder der Intensität der Mediennutzung (Arlt & Wolling 2014, 2016).


Einfluss medialer Kommunikation auf Einstellungen gegenüber Atomkraft

In ihrem Dissertationsprojekt untersuchte Dorothee Arlt den Einfluss der individuellen Mediennutzung auf die Einstellung zur Kernenergie am Beispiel der geplanten Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke im Jahr 2010. Die Studie wurde in einem Zwei-Methoden-Design durchgeführt. In einer repräsentativen Telefonbefragung wurden die Einstellungen und das Mediennutzungsverhalten von Thüringern erhoben. In einer quantitativen Inhaltsanalyse von Medienberichten wurden die Argumente für oder gegen eine Laufzeitverlängerung kodiert. Die Daten aus der Befragung und der Inhaltsanalyse wurden auf Individualdatenebene direkt miteinander verknüpft, um den Einfluss der Berichterstattung auf die Einstellung zur Kernenergie zu untersuchen. Die Dissertation war die erste Veröffentlichung in der Buchreihe NEU-Kommunikation.